Kapitel 8: Luise Henriette von Oranien, Gräfin von Nassau und Friedrich Wilhelm von Hohenzollern, Kurfürst von Brandenburg
Der Oraniername wird flügge
Endlich: Der Westfälische Frieden beendete 1648 den verheerenden Dreißigjährigen (für die Niederlande Achtzigjährigen) Krieg. Die Lage in Deutschland war zum Erbarmen, das Land verwüstet, die Bevölkerung fast halbiert (von 17 Mio. auf 10 Mio.), die Wirtschaft lag darnieder, es herrschten Pocken, Pest und Hungersnot. Auch das Kurfürstentum Brandenburg hatte schon bessere Zeiten erlebt. Und ausgerechnet in diesen armen und zurückgebliebenen Landstrich hatte es Ende 1646 Luise Henriette – »Less« – von Oranien (1627–1667), älteste Tochter des Prinzen Friedrich Heinrich, durch ihre Eheschließung mit Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620–1688) verschlagen.
Dieser hatte genaue Vorstellungen vom Wiederaufbau seines Landes; vier Jahre in der reichen und geschäftstüchtigen Republik der Niederlande hatten ihn stark geprägt, die Republik war für ihn zum Vorbild geworden. Er lockte zahllose holländische Bauern und Fachkräfte wie Straßen- oder Wasserbaumeister mit interessanten Angeboten nach Brandenburg (man sprach von der »Verholländerung«) und führte verschiedene Wirtschaftsreformen durch.
Seine Gemahlin Less war auch nicht untätig. In dem vom Krieg gezeichneten und geplünderten Örtchen Bötzow vor den Toren Berlins – ein Geschenk ihres Gatten – ließ sie von holländischen Handwerkern ein Barockschloss erbauen und prachtvoll ausstatten, das den Namen Oranienburg erhielt. Die Kurfürstin stellte dort ihre prunkvolle Porzellansammlung und andere Kunstwerke aus. Zugleich setzte sie sich aber auch für ihre Untertanen ein. Luise Henriette stiftete ein Waisenhaus, gründete einen Musterbauernhof mit Meierei, Brauerei und Schafzucht, und sie ließ Blumen- und Gemüsegärten anlegen. Das Wissen und die modernen Techniken brachten Fachkräfte aus den Niederlanden, überwiegend aus Westfriesland, ins Land, die auf diese Weise zu leuchtenden Vorbildern für die Entwicklung Brandenburgs wurden. In der damals von Männern dominierten Welt war das Engagement der Kurfürstin durchaus bemerkenswert.
Dass die Wahl des Schlossnamens auf Oranienburg fiel, war kein Zufall. Luises Mutter Amalie von Solms hatte damit angefangen, den Namen Oranien, der durch die Prinzen Wilhelm I., Moritz und Friedrich Heinrich europaweite Bekanntheit erlangt hatte, als Markenzeichen aufzubauen; so nannte sie ein von ihr in Auftrag gegebenes Schloss bei Den Haag »Oraniersaal« (heute: Schloss Huis ten Bosch). Aber nicht nur Less folgte ihr auf diesem Weg, auch ihre jüngeren Schwestern (siehe die folgenden Kapitel) ließen Schlösser bauen, die das stolze »Oranien« im Namen führten: Oranienbaum, Oranienstein, Oranienhof und Oranjewoud (Oranienwald).
Less hatte gute Gründe, den Namen Oranien zu vermarkten: ihr einziger Bruder, Wilhelm II., war bereits 1650 verstorben, und seitdem hatte das Geschlecht kein männliches Familienoberhaupt mehr. Wilhelm III., sein im selben Jahr geborener Sohn, konnte diese Rolle naturgemäß noch nicht ausfüllen. Und die meisten Provinzen hatten das Statthalteramt abgeschafft. Da konnte ein bisschen Reklame für den Namen Oranien nicht schaden, zumal das begehrte Oranier-Erbe laut Friedrich Heinrichs Testament den Nachfahren seiner ältesten Schwester, also Less, zufallen sollte. Ihr Gemahl, der Kurfürst, wähnte den Titel Prinz von Oranien und die zugehörige Beute schon sicher. Doch es sollte anders kommen, was Less allerdings schon nicht mehr miterlebte; sie starb bereits 1667 und ließ den Kurfürsten in tiefer Trauer zurück. Bis heute wird Prinzessin Luise Henriette von Oranien in Deutschland allseits bewundert und verehrt.
Reinildis van Ditzhuyzen, Mai 2016
Literatur
- Ditzhuyzen
- Peter Bahl: Der Hof der Großen Kurfürsten. Studien zur höheren Amtsträgerschaft Brandenburg-Preußens (Veröffentlichungen aus den Archiven Preußischer Kulturbesitz, Beiheft 8), Böhlau, Köln 2001
- Hans Biereigel: Luise Henriette von Nassau-Oranien. Kurfürstin von Brandenburg, Sutton, Erfurt 2005
- Ulrich Großmann (Hrsg.): Von teutscher Not zu höfischer Pracht 1648–1701, Nürnberg 1998
- Ulrike Hammer: Kurfürstin Luise Henriette. Eine Oranierin als Mittlerin zwischen Brandenburg-Preußen und den Niederlanden (Studien zur Geschichte und Kultur Nordwesteuropas, Bd. 4), Münster 2001
- Matty Klatter: »Louise Henriette van Oranje«, in: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland (Digitales Frauenlexikon der Niederlande),
http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/LouiseHenriette - Horst Lademacher (Hrsg.): Onder den Oranjeboom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen, 2 Bände, München 1999
- Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Schlossmuseum Oranienburg, Deutscher Kunstverlag, Berlin/München 2009
- Holger Witzel u.a.: Spuren der Niederländer in Brandenburg und Berlin. Ein Wegweiser, Berlin 2000 (Deutsch-Niederländische Gesellschaft e.V.)

Luise Henriette von Oranien und Friedrich Wilhelm von Hohenzollern (Gerard van Honthorst, 1647).

Luise-Henriette-Denkmal in Oranienburg (19. Jhd.)

Schloss Oranienburg