Kapitel 4: Luise Juliana von Oranien, Gräfin von Nassau, und Friedrich IV., Kurfürst von der Pfalz
Kurfürstin und Kriegsflüchtling
Wer kennt noch Königsberg, die einstige glorreiche Hauptstadt Ostpreußens? Seit 1946 heißt die Stadt Kaliningrad und ist Teil einer russischen Exklave zwischen Litauen und Polen. Auch hier stößt man auf ein Stück Oranier-Geschichte: im Königsberger Dom fand Luise Juliana, die Tochter Prinz Wilhelms I. von Oranien, ihre letzte Ruhestätte. Wie kam es dazu?
Luise Juliana (1576–1644) war das erste Kind des Oranierprinzen und seiner dritten Frau Charlotte de Bourbon. Natürlich sprach die gebürtige Französin mit ihren Kindern Französisch, aber sie lehrte ihre älteste »Fille Loïse« und deren fünf jüngere Schwestern auch die deutsche Sprache. Das war auch nicht verwunderlich, denn die zum Calvinismus konvertierte Charlotte hatte vor ihrer Heirat lange Zeit in Heidelberg am protestantischen Hof von Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz gelebt. Dieser leistete dem Prinzen von Oranien und den Niederländern nachhaltige militärische Unterstützung bei ihrem Aufstand gegen die Spanier. Friedrichs Sohn Christoph ließ in der Schlacht auf der Mookerheide sogar sein Leben – ein Schicksal, das auch Luises beide Onkel Ludwig und Heinrich von Nassau ereilte.
Luise verlor bereits mit sechs Jahren ihre Mutter Charlotte und mit acht ihren Vater. Daraufhin schrieb sie – recht ungewöhnlich für ein Mädchen ihres Alters – ihrem Onkel Jan von Nassau einen Brief mit der Bitte, er möge dafür sorgen, dass sie weiter im protestantischen Glauben erzogen wird. Es versteht sich, dass sie später einen Calvinisten heiratete. Die Wahl fiel auf den Enkel des Oranier-Verbündeten Friedrich III. von der Pfalz: Friedrich IV. von der Pfalz (1574–1610). Allerdings war dieser Vernunftehe kein Glück beschieden. Nach der Heirat 1595 zog Luise an den Hof in Heidelberg, jener Stadt, in die viele Niederländer aus den südlichen Teilen des Landes ihres calvinistischen Glaubens wegen geflüchtet waren. Diese Kaufleute, Handwerker und Künstler trugen ganz wesentlich zur wirtschaftlichen Blüte und zum internationalen Ansehen der Stadt bei.
In den Folgejahren stand Europa mehr und mehr im Zeichen der Religionskriege zwischen Protestanten und Katholiken. Nach 1618 wurde die Situation in Heidelberg sogar gefährlich. Luises Sohn Friedrich V. hatte sich gegen ihren ausdrücklichen Rat von protestantischen Rebellen zum König von Böhmen ausrufen lassen – was den Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) mit auslöste. Kurz darauf rückten die katholischen Truppen auf Heidelberg vor. Luise, seit 1610 Witwe, flüchtete zu ihrer Tochter Elisabeth Charlotte nach Berlin, die hier mit ihrem Mann Georg Wilhelm, dem Kurfürsten von Brandenburg und Herzog von Preußen, residierte. Viele Jahre hielt sie sich hier auf, bis der Krieg schließlich vor den Toren Berlins angekommen war. Angesichts dieser Lage ergriff sie mit dem gesamten Fürstenhof 1638 erneut die Flucht; diesmal hieß das Ziel Königsberg, das als sicher galt. Nach Heidelberg sollte Luise nicht mehr zurückkehren. Bis zu ihrem Tod 1644 lebte sie im prächtigen Königsberger Renaissanceschloss mit dem für seine imposanten Ausmaße bekannten Moskowitersaal (82 x 18 x 6 m), der lange Zeit der größte Saal Deutschlands war. Luise von Oranien-Nassau wurde neben ihrem preußischen Schwiegersohn in der Fürstengruft im Dom beigesetzt.
Reinildis van Ditzhuyzen, Januar 2016
Literatur
- Ditzhuyzen.
- R.E.O. Ekkart: »Een portretreeks uit de tweede helft van de zestiende eeuw. Daniel van de Queeborn als portrettist van Willem de Zwijger en zijn gezin« (Eine Porträtreihe aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts. Daniel van de Queeborn als Porträtmaler von Wilhelm, dem Schweiger und seiner Familie), in: Jaarboek Vereniging Oranje-Nassau Museum (Jahrbuch des Vereins Oranien-Nassau-Museum), 1982, S. 17–34
- S. Groenveld: De Winterkoning. Balling aan het Haagse hof (Der Winterkönig. Verbannter am Haager Hof), Den Haag 2003
- Matty Klatter: Louise Juliana prinses van Oranje (Luise Juliana Prinzessin von Oranien), in: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland (Digitales Frauenlexikon der Niederlande), URL: http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/LouiseJuliana (abgerufen am 13.01.2014)
- Renny van Heuven-van Nes, Marieke Spliethoff: Kinderen van Oranje. Vorstelijke kinderportretten vroeger en nu (Oranier-Kinder. Fürstliche Kinderporträts von einst und heute), Zwolle 2007, S. 70 f.
- C. A. Tamse (Hrsg.): Willem van Oranje en Zeeland (Wilhelm von Oranien und Seeland), Den Haag 2012 (Prins Willem de Eerste Herinneringsstichting)
- Der Winterkönig Friedrich V. Der letzte Kurfürst aus der Oberen Pfalz. Amberg – Heidelberg – Prag – Den Haag, Katalog zur Bayerischen Landesausstellung, Amberg 2003

Luise Juliana von Oranien, Gräfin von Nassau

Der restaurierte Königsberger Dom (im Zweiten Weltkrieg zerstört)