Kapitel 30: Juliana Königin der Niederlande und Bernhard Prinz zur Lippe-Biesterfeld
»Ganz normale« Frau und skrupelloser Lebemann
»Dies ist keine Hochzeit zwischen den Niederlanden und Deutschland, sondern zwischen meiner Tochter und dem Mann, den sie liebt«, erklärt Königin Wilhelmina 1937 anlässlich der Eheschließung ihrer Tochter Juliana (1909–2004) mit Bernhard zur Lippe-Biesterfeld (1911–2004). Wie wahr: vom ersten Treffen an ist die Oranierprinzessin bis über beide Ohren verliebt in den ach so charmanten Prinzen, der sich selbst als Heiratskandidaten ins Spiel gebracht hat. Ins Auge sticht die frische weiße Nelke, die er bis zu seinem Tod tagtäglich im Knopfloch trägt. Sie sollte zu seinem Markenzeichen werden.
Juliana ist ein Leben lang verrückt nach Bernhard, in guten wie in schlechten Zeiten. Die vier Töchter vergöttern ihren stets gut aufgelegten Vater. Und nach 1945 bewundern ihn viele Niederländer, insbesondere aus Marine- und Widerstandskreisen, für seine Rolle im Zweiten Weltkrieg. Julianas Rolle während des Krieges fand dagegen lange Zeit kaum Beachtung. Erst später wird bekannt, dass sie in dieser Zeit, die sie mit ihren Kindern im kanadischen Exil verbrachte, ungefähr sechzig Vorträge und Reden in den USA und Kanada gehalten hat, die unter anderem den Kampf gegen die Nazis zum Thema hatten, und dass sie die niederländischen Truppen in Nordamerika besucht und enge, freundschaftliche Kontakte zum amerikanischen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt und seiner Frau Eleanor gepflegt hat.
Doch was wie ein Märchen begann, verliert schon bald seinen Glanz. Bernhard entpuppt sich als Lebemann. Aus mehreren außerehelichen Beziehungen gehen Kinder hervor – zwei Töchter erkennt er später sogar an. Juliana nimmt alles hin, eine Scheidung kommt für sie nicht in Frage. Aber sie leidet. Sie fühlt sich einsam und unsicher, vor allem als sie 1948 das Königsamt übernimmt. Hinzu kommt, dass ihre jüngste Tochter Christina fast blind ist. Am Hofe hält mit Greet Hofmans eine Gesundbeterin Einzug, die behauptet, die kleine Prinzessin heilen zu können. Doch damit nicht genug, durch sie gewinnt Juliana das nötige Selbstvertrauen, um besser mit ihren schweren Aufgaben fertigzuwerden. Nach und nach übt die weltentrückte Hofmans auch politischen Einfluss auf die Königin aus; Juliana bezeichnet sie als ihren »lieben Engel« und ihr Medium zu »da oben«. Juliana und Bernhard entfremden sich voneinander, die Atmosphäre in Schloss Soestdijk ist zum Zerreißen gespannt. Ein Konflikt zwischen Staatsoberhaupt und Ministern scheint unvermeidlich, die Monarchie ist in Gefahr.
Und wer rettet sie? Bernhard! Am 13. Juni 1956 erscheint im »Spiegel« ein Artikel mit dem Titel »Zwischen Königin und Rasputin«. Der geheime Informant ist kein Geringerer als der Prinz selbst. Er macht sich Sorgen um das Staatswesen – aber auch um seine eigene Stellung: ein Bruch mit Juliana würde das Ende seiner interessanten nationalen und internationalen Kontakte bedeuten. Der Artikel bleibt nicht ohne Wirkung, der Prinz erreicht, was er will: seine Frau muss ihre Kontakte zu Hofmans und ihrem Umfeld beenden. Das fällt ihr alles andere als leicht, aber sie fügt sich, um die Monarchie zu retten.
Zwanzig Jahre später ist die Situation genau umgekehrt: nun rettet Juliana den Prinzen und damit die Monarchie. Bernhard ist in einen Bestechungsskandal verwickelt. Er hat vom amerikanischen Flugzeughersteller Lockheed eine Million Dollar Schmiergeld angenommen. Die Politik ist schockiert und entsetzt. Erneut wird die Monarchie in ihren Grundfesten erschüttert. Aber Juliana stellt sich hinter ihren Mann, der daraufhin wegen möglicher Folgen für ihre Position als Staatsoberhaupt nicht strafrechtlich verfolgt wird.
Grundverschiedene Persönlichkeiten
Prinz Bernhard ist ein Lebemann, wie er im Buche steht, Königin Juliana ein ganz anderer Typ: sie steht zwar an der Spitze des Staates, möchte aber am liebsten als ganz normale, liebe, nette Frau gesehen werden. Das königliche Protokoll betrachtet sie ihr ganzes Leben lang als ihren »natürlichen Feind«. Ein Staatsoberhaupt, das sich wie jemand aus dem Volk gibt, stößt gerade in den sechziger und siebziger Jahren, in denen es im Land zu Studentenprotesten und Unruhen kommt, bei den Holländern auf Sympathie. Man schätzt ihr warmherziges Interesse für das Wohl und Wehe »ihres« Volkes.
Juliana und Bernhard werden beide sehr alt: sie fast 95, womit sie die bislang älteste Oranierin ist, und er 93. Glücklicherweise muss Juliana Bernhards letzten Coup nicht mehr miterleben. Kurz nach seinem Tod erscheint ein sehr ausführliches Interview mit ihm unter dem Titel »Der Prinz spricht«, das er ohne Wissen seiner Tochter Beatrix, des Staatsoberhaupts, gegeben hat. Darin schildert er erklärtermaßen seine Sicht der Dinge – zur Affäre Hofmans, zu Lockheed, zu Frau und Kindern, zu seinen Eskapaden und zu vielem anderen mehr. Er gibt intime Details preis, die eigentlich niemand wissen möchte. Mit dem Interview will er erreichen, dass die Geschichte dereinst besser über ihn urteilen wird. Wahrscheinlich hat er genau das Gegenteil erreicht.
Reinildis van Ditzhuyzen, März 2018
Literatur
- Pieter Broertjes, Jan Tromp: De prins spreekt (Der Prinz spricht), Amsterdam 2004
- Ditzhuyzen
- Cees Fasseur: Juliana en Bernhard. Het verhaal van een huwelijk 1936–1956 (Juliana und Bernhard. Die Geschichte einer Ehe 1936–1956), Amsterdam 2008
- E.J.H. Schrage: Zur Lippe-Biesterfeld. Prinses Armgard, prins Bernhard en hun houding tegenover nazi-Duitsland (Zur Lippe-Biesterfeld. Prinzessin Armgard, Prinz Bernhard und ihre Haltung gegenüber Nazi-Deutschland), Amsterdam 2004
- Jolande Withuis: Juliana. Vorstin in een mannenwereld (Juliana. Fürstin in einer Männerwelt), Amsterdam 2016
- Annejet van der Zijl: Bernhard. Een verborgen geschiedenis (Bernhard. Eine verborgene Geschichte), Amsterdam 2010

Verlobt! Eine strahlende Prinzessin und ein charmanter Prinz mit weißer Nelke im Knopfloch.