Kapitel 25: Wilhelm III. König der Niederlande und Sophie Prinzessin von Württemberg bzw. Emma Prinzessin von Waldeck-Pyrmont

Dynastische Interessen und schöne Künste

»Ich war nicht in den Prinzen verliebt (…) und ich habe gehofft, dass er nie wieder zurückkommt«, schreibt Prinzessin Sophie (1818–1877), Tochter des Königs von Württemberg, in ihren Jugenderinnerungen über den Heiratsantrag des späteren Königs Wilhelm III. der Niederlande (1817–1890). »Mein Verstand plädierte dafür, aber mein Herz lehnte sich dagegen auf.« Ihr Vater denkt jedoch an die dynastischen Interessen, drängt sie, und schließlich willigt Sophie ein mit »dem Gefühl, als hätte ich mein eigenes Todesurteil gesprochen«. Wilhelm und Sophie passen tatsächlich nicht zusammen und werden als Ehepaar ausgesprochen unglücklich.

Wilhelm III

Geschichten über diese dramatische Ehe, über den aufbrausenden und unausgeglichenen Wilhelm und die gefühlsbetonte und impulsive Sophie, füllen viele Seiten. Aber die beiden haben auch ihre Qualitäten. So wird Wilhelm III. wegen seiner Liebe zur Kunst auch »König der Künste« genannt. Er besucht gerne Ausstellungen und kauft regelmäßig Kunstwerke. 1871 stiftet er einen Preis zur Förderung des Nachwuchses auf dem Gebiet der »freien Malerei«. Bis heute wird dieser Preis, der gegenwärtig mit 6500 Euro pro Künstler dotiert ist, alljährlich vergeben, denn nach Wilhelm III. haben auch die Königinnen Wilhelmina, Juliana und Beatrix sowie König Willem-Alexander diese Tradition fortgesetzt. Darüber hinaus unterstützt Wilhelm III. die Ausbildung junger Musiker und Sänger finanziell. Auch pflegt er mit dem ausgesprochen beliebten Franz Liszt Kontakt. Liszt ist Mitglied der Jury, die jedes Jahr auf Schloss Het Loo eine Sängerin mit der vom König gestifteten Malibran-Medaille auszeichnet. Übrigens mischt sich der König bei diesen Konzerten gerne mal ein, wenn es um die »hübsche Toilette« der Sängerinnen geht.

Sophie

Seine Frau Sophie führt ihr eigenes Leben. Nur bei offiziellen Anlässen sieht man sie an der Seite ihres Mannes. Die Königin ist sehr belesen, politisch interessiert und pflegt einen regen Briefwechsel mit zahlreichen europäischen Staatsmännern und Gelehrten. Der Historiker William Edward Hartpole Lecky nennt sie »one of the most superior people I have ever known«. John Lothrop Motley, ebenfalls Historiker, rühmt Sophies Konversationskünste als »fluent, lively and interesting«. 1867 wird sie Schirmherrin der bis auf den heutigen Tag bestehenden »Königin-Sophie-Vereinigung zum Schutz von Tieren«. Vier Jahre später gründet die bekannte Schriftstellerin und Feministin Betsy Perk die »Allgemeine Frauenvereinigung Arbeit Adelt« mit dem Ziel, unverheirateten Frauen die Möglichkeit zu geben, mit ihrer eigenen Hände Arbeit Geld zu verdienen. Auch für diese bis heute bestehende und mittlerweile älteste Vereinigung der Niederlande übernimmt Sophie die Schirmherrschaft.

Emma

Unerwartet verstirbt Königin Sophie 1877 im Alter von 58 Jahren in Schloss Huis ten Bosch. Da die Thronfolge nicht gesichert ist, muss sich Wilhelm auf die Suche nach einer neuen Gemahlin machen. Am liebsten würde er die französisch-algerische Sängerin Émilie Ambre, Sopranistin an der Französischen Oper in Den Haag, heiraten, die ihm ordentlich den Kopf verdreht hat. Die Minister sind schockiert und leisten entschiedenen Widerstand. Sie weisen ihn auf die Würde des Amtes hin und auf die »schicksalhaften Folgen« einer solchen Verbindung. Letztlich siegt die Vernunft und Wilhelm entscheidet sich für die mehr als vierzig Jahre jüngere Emma (1858–1934) als Braut.

Diese Prinzessin von Waldeck-Pyrmont wird im wahrsten Sinne des Wortes zur Retterin der Dynastie, denn sie bringt eine Tochter, Wilhelmina, zur Welt, die der einzige Nachkomme bleiben sollte. Die ebenso entschlossene wie charmante Emma spielt auch in einer anderen dynastischen Frage eine Hauptrolle: Nach dem Nassauischen Erbverein (vergleiche Kapitel 19) ist es vertraglich unzulässig, dass in Luxemburg, das unter niederländischer Verwaltung steht, eine Frau den Thron besteigt, solange es in einem der Nassauzweige noch einen männlichen Nachfahren gibt. Und den gibt es: Emmas Halbonkel Adolph von Nassau-Weilburg. Wilhelm III. widersetzt sich und wünscht, dass Wilhelmina im Großherzogtum seine Nachfolge antritt. Aber Emma ist Adolph, der sein Herzogtum Nassau verloren hat, sehr zugetan und gönnt ihm das kleine Luxemburg. Und sie setzt sich durch. Mit den Worten eines Würdenträgers bei Hofe: »Sie war stärker als er und ließ sich nicht erweichen.« 1884 erteilt der König seine Zustimmung, und so wird Adolph nach Wilhelms Tod dessen Nachfolger im Amt des Großherzogs von Luxemburg. Seine Nachfahren regieren dort bis heute.

Reinildis van Ditzhuyzen, Oktober 2017

Literatur

  • Ditzhuyzen
  • Fia Dieteren: Sophie van Württemberg (Digitales Frauenlexikon der Niederlande) http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/SophievanWurtemberg
  • Fieke Julius, Bernard Woelderink: Oranje en de muziek (Oranien und die Musik), Amsterdam 1999
  • Dik van der Meulen: Koning Willem III 1817–1890 (König Wilhelm III. 1817–1890), Amsterdam 2013
  • C.A. Tamse: Koningin Sophie 1818–1877. Jeugherinneringen in Biedermeierstijl van een Nederlandse vorstin uit Wurtemberg. Met 2 cd´s (Königin Sophie 1818–1877. Jugenderinnerungen im Biedermeierstil einer niederländischen Fürstin aus Württemberg. Mit 2 CDs), Zutphen 1984
  • C.A. Tamse: Emma, koningin der Nederlanden (1858–1934) (Emma, Königin der Niederlande, 1858–1934) in Biografisch Woordenboek van Nederland (Biographisches Wörterbuch der Niederlande) http://resources.huygens.knaw.nl/bwn1880-2000/lemmata/bwn3/emma
  • Marcel E. Verburg: Koningin Emma. Regentes van het Koninkrijk (Königin Emma. Regentin des Königreichs), Baarn 1989
Wilhelm III. (rechts in Weiß) mit Franz Liszt (im langen Mantel) in den Gärten von Schloss Het Loo (Aquarell 20,5 x 31,6 cm, um 1875, Charles Rochussen, Königliches Hausarchiv)
Abbildung: ©Koninklijke Verzamelingen / Königliches Hausarchiv / https://www.koninklijkhuis.nl/foto-en-video/koninklijk-huisarchief/drie-koningen

Wilhelm III. (rechts in Weiß) mit Franz Liszt (im langen Mantel) in den Gärten von Schloss Het Loo (Aquarell 20,5 x 31,6 cm, um 1875, Charles Rochussen, Königliches Hausarchiv)

Königin Sophie

Königin Sophie

König Wilhelm III. mit seiner jugendlichen Frau Emma und seiner Tochter und Nachfolgerin Wilhelmina

Der alte König Wilhelm III. mit seiner jugendlichen Frau Emma und seiner Tochter und Nachfolgerin Wilhelmina

Großherzog Adolph von Luxemburg

Großherzog Adolph von Luxemburg: In Luxemburg folgt Wilhelm III. nicht seine Tochter Wilhelmina, sondern Adolph von Nassau nach – auf Betreiben Emmas.