Kapitel 24: Marianne Prinzessin von Oranien-Nassau und Albrecht Prinz von Preußen

Zwei Königskinder bauen Schlösser auf den Trümmern ihrer Ehe

Sowohl Albrecht (1809–1872), Sohn des preußischen Königs, als auch Marianne (1810–1883), Tochter des niederländischen Königs, sorgen mit ihrem Privatleben für viel Aufsehen. Die Fakten sind hinlänglich bekannt: ihre Ehe ist ein solches Fiasko, dass sich das Paar, was in königlichen Kreisen äußerst ungewöhnlich ist, scheiden lassen darf. Daraufhin heiratet Albrecht, unter seinem Stand, seine Geliebte – und wird faktisch nach Sachsen verbannt. Marianne bandelt mit ihrem Kutscher respektive Sekretär an und, Schande über Schande!, bringt sogar ein Kind von ihm zur Welt. Auch sie muss Preußen verlassen; die drei lassen sich in Hessen, in dem von ihr erworbenen Schloss Reinhartshausen nieder, das heute als Hotel genutzt wird.

Albrecht und Marianne haben aber auch aus einem anderen Grund Bekanntheit erlangt: sie lassen mehrere große Schlösser für sich bauen und beauftragen damit keinen Geringeren als den berühmten Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781–1841). Er hatte sich unter anderem mit seinem Beitrag zum Entwurf des Mausoleums, das 1810 im Park von Schloss Charlottenburg für Albrechts Mutter Königin Luise erbaut worden war, Verdienste erworben. Anlässlich seiner Hochzeit mit der Oranierprinzessin beauftragt Prinz Albrecht Schinkel 1830 damit, das von ihm angekaufte, aber verfallene Palais in der Wilhelmstraße in Berlin zu renovieren und umzubauen. In diesem »Prinz-Albrecht-Palais« lebt das so ungleiche und unglückliche Paar Albrecht und Marianne während seiner Ehe. 1841 findet in dem eleganten Gebäude ein bedeutendes historisches Ereignis statt: Mariannes Vater, der von seinem Amt zurückgetretene calvinistische König Wilhelm I., heiratet hier, mit Dispens des Papstes, unstandesgemäß die umstrittene katholische belgische Hofdame Gräfin Henriette d’Oultremont.

Prinzessin Marianne hat am Bauen Gefallen gefunden. 1838 lässt sie Schinkel nach Schlesien kommen, genauer gesagt nach Kamenz (das heute zu Polen gehörende Kamieniec Ząbkowicki). Ihre Mutter Mimi, die ein Jahr zuvor verstorben ist, hat ihr dieses große Landgut hinterlassen. Die Prinzessin hat hochfliegende Pläne: oben auf dem Hügel soll ein spektakulärer Palast entstehen, umgeben von Gärten, Treppen, Terrassen, Teichen, Brunnen, Kaskaden, Grotten und Skulpturen. Schinkel, nach vielen Jahren harter Arbeit körperlich fast am Ende, übernimmt die Aufgabe, lässt sich aber von einem jungen Assistenten, Ferdinand Martius, bei der Verwirklichung dieses großen Bauwerks im damals populären Neu-Tudorstil unterstützen. Marianne weiß genau, was sie will. Für die Innen- und Außengestaltung gibt sie präzise Anweisungen – die sich freilich immer wieder mal ändern. Noch 1838 erfolgt die feierliche Grundsteinlegung. Letztlich zieht sich der Bau dieses leicht megalomanen Schlosses mit wuchtigen Türmen, Säulengängen, neugotischen Möbeln und an die hundert Räumen fast zwanzig Jahre hin.

Nach ihrer Scheidung im Jahr 1849 darf sich Marianne nur noch maximal 24 Stunden in Folge auf preußischem Hoheitsgebiet aufhalten, was bedeutet, dass sie nicht länger in ihrem Prunkschloss wohnen bleiben kann. Sie kommt ab und zu noch auf Besuch vorbei, muss sich dann aber mit dem Zutritt über den Seiteneingang begnügen. Das von den Russen 1945 zerstörte und geplünderte Schloss wird zurzeit restauriert und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Auch Prinz Albrecht muss Preußen verlassen, nachdem er seine Geliebte geheiratet hat und damit eine standesungleiche Ehe eingegangen ist. Das Paar lässt sich in Dresden nieder, wo Albrecht in bezaubernder Lage am Ufer der Elbe ebenfalls ein imposantes Schloss in klassizistischem Stil erbauen lässt: Albrechtsberg. Der Architekt ist – wie sollte es anders sein? – ein Schüler des so verehrten, mittlerweile jedoch verstorbenen Schinkel. Das Schloss kann heute für Feste und Veranstaltungen gemietet werden.

Albrecht und Marianne wollten ihre Ehe so schnell wie möglich vergessen. Ihre Schlösser Kamenz und Albrechtsberg aber sind lebendige Erinnerung an diese beiden Königskinder.

Reinildis van Ditzhuyzen, September 2017

Literatur

  • Ditzhuyzen
  • Renny van Heuven-van Nes: Prinses Marianne (1810–1883), in: Jaarboek Oranje-Nassau Museum (Jahrbuch Oranien-Nassau-Museum) 2001, S. 129–144
  • Frans Willem Lantink: Marianne van Oranje-Nassau (Marianne von Oranien-Nassau), in: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland (Digitales Frauenlexikon der Niederlande), URL: http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/Marianne
  • Krysztof R. Mazurski: Prinses Marianne in Silezië en het Land van Klodzko (Prinzessin Marianne in Schlesien und im Glatzer Land), in: Jaarboek Oranje-Nassau Museum (Jahrbuch Oranien-Nassau-Museum) 2001, S. 93–128
Prinz-Albrecht-Palais
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Prinz-Albrecht-Palais.jpg

Das Prinz-Albrecht-Palais in Berlin, 1837 (1944 beschädigt, 1949 gesprengt)

Paleis Kamenz / Schloss Kamenz

Schloss Kamenz heute: Gärten, Kaskaden, Treppen und Brunnen sollen in altem Glanz erstrahlen. Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Schloss Albrechtsberg
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Schloss_Albrechtsberg_Dresden.jpg

Schloss Albrechtsberg an der Elbe in Dresden

Marianne prinses van Oranje-Nassau / Marianne Prinzessin von Oranien-Nassau
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PrinsesMariannederNederlanden1.jpg

Marianne Prinzessin von Oranien-Nassau, um 1850

Albert prins van Pruisen / Albrecht Prinz von Preußen
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Prince_Albrecht_of_Prussia_(1809_-_1872).jpg

Albrecht Prinz von Preußen