Kapitel 21: Friederike Luise Wilhelmine Prinzessin von Nassau-Oranien und Erbprinz Karl Georg August von Braunschweig-Lüneburg
Geistreiche Briefschreiberin und kranker Erbprinz
Die lebensfrohe Prinzessin, von ihrer Familie »Lulu« (1770–1819) genannt, liebt Musik, Tanz und Schauspiel. So besucht sie auch gern Konzerte und Vorstellungen im bekannten Théâtre Français in Den Haag. Mit ihren Eltern und ihren beiden jüngeren Brüdern verbindet sie eine innige Beziehung. Ihre Zukunft liegt jedoch nicht in der Residenzstadt: für eine Prinzessin wie sie muss ein ebenbürtiger Bräutigam gefunden werden, den es in Den Haag nicht gibt. Nach längerer Suche fällt die Wahl schließlich auf Erbprinz Karl von Braunschweig (1766–1806). Er ist zwar kränklich und leidet unter einer Sehschwäche, kann Luise als Thronfolger aber eine gute Zukunft als Herzogin bieten.
Nach einer rauschenden Hochzeit in Den Haag (1790) kehrt das frischvermählte Paar nach Braunschweig zurück. Luise sieht ihrer Zukunft am herzoglichen Hof erwartungsvoll entgegen. Das Schicksal meint es aber nicht gut mit ihr. Zunächst einmal wird sie nicht schwanger, was ein schwerer Makel ist, denn schließlich müssen Thronfolger geboren werden. In dieser Zeit wird bei Kinderlosigkeit meist den Frauen die Schuld gegeben. Dies ist auch bei Luise der Fall, obwohl das Problem vermutlich eher bei ihrem kranken Mann liegt. 1795 folgt eine weitere Katastrophe: die Franzosen drohen die Niederlande zu besetzen, woraufhin die Statthalterfamilie nach England flieht. Damit ist das Ende der Republik der Vereinigten Niederlande, Luises Heimatland, besiegelt. Infolgedessen erhalten die Oranier – so auch Luise – keine Apanagen mehr, wodurch sich ihre Finanzlage verschlechtert. Als emsige Briefschreiberin bleibt Luise in den Folgejahren mit ihrer im Exil lebenden Familie in enger Verbindung.
Glücklicherweise findet sich in Braunschweig dann doch noch eine Lösung für die Thronfolge. Luises Mann, Erbprinz Karl, hat nämlich drei jüngere Brüder. Zwei davon leiden wie er an Krankheiten, aber der jüngste ist gesund. 1802 vermählt er sich mit einer netten Prinzessin, die kurz darauf zwei gesunde Söhne zur Welt bringt. In Braunschweig herrscht Feststimmung!
1806: Annus horribilis
Die Stellung der kinderlosen Prinzessin Luise am Braunschweiger Hof ist nun deutlich geschwächt. 1806 wird für sie ein wahres Katastrophenjahr. Zuerst stirbt am 9. April, während eines Besuchs bei ihr in Braunschweig, im Alter von 58 Jahren unerwartet ihr geliebter Vater. Wenige Monate später, am 20. September, stirbt auch ihr Mann, Erbprinz Karl, der mittlerweile völlig erblindet und auf Hilfe angewiesen war. Im Oktober ereilt sie das nächste Unglück: ihr Schwiegervater, Herzog Karl II., wird in der Schlacht bei Jena und Auerstedt gegen die Franzosen schwer verwundet. Er wird nach Braunschweig gebracht, wo er seinen jüngsten Sohn zu seinem Thronfolger ernennt. Er fleht Napoleon an, das neutrale Braunschweig zu verschonen, findet aber kein Gehör, und so wird das Herzogtum von französischen Truppen besetzt. Inzwischen – es ist immer noch das Jahr 1806 – logiert Luises geliebte Mutter Wilhelmine bei ihr in Braunschweig, aber es ist klar, dass die beiden Witwen hier, inmitten der Kriegsgewalt, nicht bleiben können. Sie fliehen aus der Stadt und finden sich nach vielen Irrungen und Wirrungen 1807 in Berlin wieder. Dort wohnen sie unter anderem im Schloss Schönhausen (heute ein Museum).
Dennoch zeigt sich der so charmanten und lebensfrohen Luise das Leben nach vielen schweren Jahren wieder von seiner Sonnenseite: 1813 kehren die Oranier in die Niederlande zurück und ihr Bruder wird König Wilhelm I. Zusammen mit ihrer Mutter lebt sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1819 abwechselnd in Den Haag und Haarlem (im Pavillon Welgelegen, heute Sitz der Provinzverwaltung). Die zahlreichen Briefe von Luise – der »größten Schreiberin der Familie« – sind bis heute eine ergiebige Quelle von Informationen über ihre Verwandten, das Leben bei Hofe, ihre Gedanken über Religion und ihre Leidenschaft für die Musik.
Reinildis van Ditzhuyzen, Juni 2017
Literatur
- C.J.M. Eymael, L.J.A. Pennings: Inventaris van de archieven van prinses Louise 1770–1819 en prins Frederik 1774–1799 (Inventar der Archive von Prinzessin Luise, 1770–1819, und Prinz Friedrich, 1774–1799), Den Haag 1995
- Ditzhuyzen
- Fieke Julius, Gert Oost: Oranje en de muziek – Music and the House of Orange (Die Oranier und die Musik) (mit 2 CDs), Den Haag/Amsterdam 1999
- Jeroen Koch: Koning Willem I 1772–1843 (König Wilhelm I., 1772–1843), Amsterdam 2013
- Ulrike Sbresny: »Die glücklose Erbprinzessin«, in: Der Löwe (Portal der Braunschweigischen Stiftungen) 2015, http://www.der-loewe.info/die-gluecklose-erbprinzessin/

Das Braunschweiger Residenzschloss, fertiggestellt zwischen 1783 und 1791 während der Regentschaft Herzog Karl Wilhelm Ferdinands von Braunschweig-Wolfenbüttel, Vater von Erbprinz Karl und Schwiegervater von Prinzessin Luise. Im Zweiten Weltkrieg schwer beschädigt; 1960 abgerissen.

Pavillon Welgelegen bei Haarlem, der Luise von 1814 bis 1819 als Sommerresidenz diente.

Prinzessin Luise und Erbprinz Karl