Kapitel 2: Prinz Wilhelm I. von Oranien und Herzogin Anna von Sachsen

Im Jahre 1561 wurde die erste der insgesamt 29 oranisch-deutschen Ehen geschlossen: Prinz Wilhelm I. von Oranien heiratete Anna von Sachsen (1544–1577). Die sechzehnjährige Prinzessin war hoffnungslos verliebt in den Oranierprinzen. Wilhelm dagegen betrachtete die Verbindung – wie zu jener Zeit üblich – als reines Geschäft. Mit Annas sehr hoher Mitgift von 100 000 sächsischen Reichstalern konnte er Familienschulden begleichen. Darüber hinaus erhoffte er sich die politische Unterstützung seiner einflussreichen Schwiegerfamilie.

So wurde das Paar im August 1561 mit beispiellosem Prunk und Pomp in Annas Geburtsstadt Leipzig vermählt. Zahlreiche deutsche Fürsten und angesehene Adlige kamen mit 5647 Pferden in die Stadt. Die Einwohnerzahl von gut 13 000 wurde durch die über 15 000 Schaulustigen, die von auswärts herbeiströmten, mehr als verdoppelt. Die Menschen drängten sich in den Straßen, um das fürstliche Spektakel mit eigenen Augen zu sehen.

Leider scheiterte die Ehe dramatisch. Wilhelm empfand Anna als schwierig und stur, das Paar stritt häufig. Ihr Verhältnis verschlechterte sich zusehends ab dem Jahr 1567, als Anna mit Wilhelm zu ihrer Schwiegermutter Juliana zu Stolberg auf das Dillenburger Schloss ziehen musste (siehe Teil 1 dieser Serie). Anna – inzwischen Mutter von fünf Kindern – war derart unzufrieden, dass sie aus Dillenburg floh, Schulden machte und nicht zurückkehren wollte. Damals wurde sie erneut schwanger – allerdings nicht von Wilhelm, sondern von ihrem (verheirateten) Rechtsberater Jan Rubens. 1571 brachte sie seine Tochter zur Welt, Christine. Noch im selben Jahr ließ der Oranier die Ehe lösen. Damit aber nicht genug – der Prinz setzte sie wegen Unzurechnungsfähigkeit im nassauischen Schloss Beilstein unter Hausarrest. Später wurde sie in Dresden gefangen gehalten, wo sie schließlich, kurz vor ihrem 33. Geburtstag, starb. Die unglückliche Prinzessin aus Sachsen wurde im Dom zu Meißen bestattet.

Diese Geschichte hat ein kurioses Nachspiel. Die Affäre zwischen Anna und Jan Rubens verband zwei spätere Berühmtheiten miteinander: Annas Sohn Moritz von Oranien, den bewunderten Feldherrn, und Jans Sohn Pieter Paul Rubens, den berühmten Maler. Beide sind Halbbrüder von Annas unehelicher Tochter Christine. Ob sie einander je begegnet sind?

Reinildis van Ditzhuyzen, November 2015

Literatur

  • Hans-Joachim Böttcher: Anna Prinzessin von Sachsen 1544–1577. Eine Lebenstragödie, Dresden 2013
  • Ditzhuyzen, 2015
  • Ditzhuyzen: »Christine von Dietz«, in: Oranje-Nassau. Het biografisch woordenboek (Oranien-Nassau. Das biographische Wörterbuch), Haarlem 1994
  • Judith Pollmann, »Anna van Saksen« in: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland (Digitales Frauenlexikon der Niederlande), http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/AnnavanSaksen [25.04.2015]
  • Günther Wartenberg: »Eine Ehe im Dienste kursächsischer Außenpolitik – zur unglücklichen Ehe der Anna von Sachsen mit Wilhelm von Oranien«, in: Dresdner Hefte, Sachsen und die Wettiner, Dresden 1990, S. 79–86
Anna van Saksen
Abbildung: ©Krijttekening door Jacques Le Boucq, ca. 1562, Musée des Beaux-Arts, Atrecht

Anna von Sachsen (Kreidezeichnung von Jacques Le Boucq, um 1562, Musée des Beaux-Arts, Arras)

Marktplein en oude Stadhuis, Leipzig 1845
Abbildung: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Der_Markt_in_Leipzig_1845.jpg

Im Leipziger Rathaus wurde die Ehe zwischen dem 28-jährigen Wilhelm und der 16-jährigen Anna geschlossen (Marktplatz und Altes Rathaus, Leipzig 1845)