Kapitel 19: Karoline Prinzessin von Nassau und Oranien und Karl Christian Fürst von Nassau-Weilburg
Musikerin aus Leidenschaft und Bewahrer der Dynastie
Die Sorge um den Fortbestand der Dynastie zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des Hauses Oranien. 1743 ist es wieder einmal soweit: nach zwei totgeborenen Töchtern bringt Anne von Hannover, die Gemahlin des Statthalters Wilhelm IV., ein gesundes Kind zur Welt, allerdings erneut ein Mädchen, Karoline (1743–1787). So wartet man denn in den Folgejahren voller Spannung auf einen männlichen Nachkömmling. Vergeblich. Deshalb wird 1747 das Amt des Statthalters auch in weiblicher Linie für erblich erklärt. Ein Jahr darauf ist die Freude im ganzen Land groß, als ein Prinz, der spätere Wilhelm V., das Licht der Welt erblickt. Sein Geburtstag am 8. März wird seitdem als »Prinzentag« ausgelassen gefeiert. Angesichts der schwachen Gesundheit des kleinen Prinzen ist man froh, mit Karoline eine Erbfolgerin in Reserve zu haben. Als solche muss sie die Generalstaaten um Einwilligung in ihre Hochzeit bitten – eine Regelung, die für die Oranier-Thronfolger bis zum heutigen Tage gilt.
Nassau heiratet Nassau
Unterdessen denkt man schon mal über geeignete Heiratskandidaten nach. Gute Chancen hat ein ferner Verwandter Karolines aus dem Hause Nassau, Karl von Nassau-Weilburg (1735–1788). Eine Verbindung mit ihm wäre aus strategischen Erwägungen interessant, weil sie Karolines Ansprüche auf die zerstückelten Nassauischen Erblande stärken würde. 1760 findet die Hochzeit tatsächlich statt. Als Erbfolgerin bleibt Karoline mit ihrem Mann in Den Haag wohnen.
In den Folgejahren widmet sich Karoline vor allem ihrer Familie (sie bringt 15 Kinder zur Welt, von denen 8 jedoch früh versterben) und ihrer großen Leidenschaft, der Musik. Diese Liebe verdankt sie nicht zuletzt ihrer Mutter Anne, die sie von klein auf an die Musik herangeführt hat. Karoline singt hübsch, spielt Klavier, und 1750 trifft sie den großen Komponisten Georg Friedrich Händel, der auf Einladung ihrer Mutter Den Haag besucht. Fünfzehn Jahre später holt sie selbst einen berühmten Musiker nach Den Haag: das achtjährige Wunderkind Wolfgang Amadeus Mozart. Dessen Vater Leopold notiert: »Im Haag sind wir nun acht Tage. Wir waren zweimal bei der Prinzessin und einmal bei dem Prinzen von Oranien, der uns mit seiner Equipage bedienen liess.«
In jenen Jahren halten sich die Oranier ein eigenes Hoforchester. Sein Kern besteht aus sechzehn Musikern, die jede Woche Konzerte geben, beispielsweise in Palais Noordeinde, im Ballsaal (dem späteren Sitzungssaal des Abgeordnetenhauses) am historischen Binnenhof und im Oraniersaal in Schloss Huis ten Bosch. Komponisten und Solisten, darunter Franz Xaver Richter, Johann Christian Bach, Carl Stamitz und Ludwig van Beethoven, lässt man vor allem aus Deutschland und dem Habsburgerreich kommen. Ihre Bezahlung lässt jedoch so manches Mal zu wünschen übrig. Der Hofkapellmeister Christian Ernst Graaf aus dem thüringischen Rudolstadt ist 1765 so knapp bei Kasse, dass er in einem anrührenden Gedicht um mehr Geld bettelt.
Karoline und Karl bleiben aber nicht in Den Haag. 1766 erreicht Karolines Bruder die Volljährigkeit und übernimmt das Amt des Statthalters. Daraufhin zieht das Paar auf Karls Stammschloss nach Kirchheimbolanden bei Kaiserslautern. Auch hier setzt sich Karoline für die Musik ein, und sie empfängt Mozart ein weiteres Mal. Er gibt zwölf Konzerte, beklagt sich aber ebenfalls über das kärgliche Salär.
Karl schickt sich derweil an, die Interessen der Familie zu sichern. 1783 gelingt es ihm, den Nassauischen Erbverein unter Dach und Fach zu bringen. In diesem bedeutenden Vertrag verständigen sich die verschiedenen Zweige darauf, dass die Gebiete und Besitzungen des Hauses Nassau ein unteilbares, unveräußerliches Ganzes bilden. Zusätzlich regelt er die gegenseitige Erbfolge für die deutschen Besitzungen. Infolgedessen verlieren die Niederlande 1890 Luxemburg, da eine weibliche Erbfolge hier nicht zulässig ist, solange es in einem der Nassauzweige noch einen männlichen Nachfahren gibt. Deshalb kann die spätere Königin Wilhelmina (1890–1948) ihrem Vater Wilhelm III. nicht als Großherzogin von Luxemburg nachfolgen; Titel und Land gehen an den Urenkel Karolines und Karls, Adolf von Nassau-Weilburg. Doch schon 1905 wird die Erbfolgeregelung geändert, da Adolfs einziger Sohn sechs Töchter, aber keinen Sohn hat. Bis heute regieren Adolfs Nachfahren – über die weibliche Linie – in Luxemburg.
Letzten Endes hinterlassen Karoline und Karl vor allem wichtige dynastische Spuren, und das nicht nur in Luxemburg, sondern in ganz Europa, denn von ihren sechs Kindern, die das Erwachsenenalter erreicht haben, stammen nahezu alle europäischen Fürstenhäuser ab.
Reinildis van Ditzhuyzen, April 2017
Literatur
- Ditzhuyzen
- Werner Freund: Mozart am Fürstenhof in Kirchheimbolanden, Kirchheimbolanden 1991
- Fieke Julius, Gert Oost: Oranje en de muziek – Music and the House of Orange (mit 2 Cds), Den Haag/Amsterdam 1999
- Frans Willem Lantink: Carolina Wilhelmina van Oranje-Nassau (Digitales Frauenlexikon der Niederlande) http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/CarolinaWilhelmina
- Rudolf Müller: Fürst Karl Christian von Nassau-Weilburg (1733–1788). Zu seinem Leben und Wirken, Weilburg 2010 (auch digital)
- Simon Murphy, Cornelia Klugkist: Den Haag. Internationale muziekstad in de 18de eeuw. Een muzikale wandeling (Den Haag. Internationale Musikstadt im 18. Jahrhundert. Ein musikalischer Spaziergang), Den Haag 2013 (Typoscript)
- Rudolf Rasch: Geschiedenis van de muziek in de Republiek der Zeven Verenigde Nederlanden: hoofdstuk 6: Het stadhouderlijk hof (Geschichte der Musik in der Republik der Sieben Vereinigten Niederlande. Kapitel 6: Der Hof des Statthalters), Utrecht/Houten 2013 (auch digital) http://www.let.uu.nl/~Rudolf.Rasch/personal/Republiek/Republiek06-Hof.pdf