Kapitel 16: Sophie Hedwig, Prinzessin von Nassau-Diez, und Karl Leopold, Herzog von Mecklenburg-Schwerin
Dieses Paar sorgte seinerzeit in ganz Europa, und besonders an den Fürstenhöfen, für reichlich Gesprächsstoff. Kein Wunder angesichts der aufsehenerregenden Ereignisse, die sich zutrugen. Zunächst einmal endet die 1708 geschlossene Ehe von Sophie (1690–1734), einer der sieben Schwestern von Friso von Oranien (Kapitel 15), mit Herzog Karl Leopold (1678–1747) schon früh in einem Fiasko – es kommt zu einer langwierigen, skandalträchtigen Scheidung. Später wird der Herzog wegen schlechter Amtsführung angeklagt und schlussendlich sogar seines Amtes enthoben.
Um mit letzterem zu beginnen: die Absetzung eines Fürsten war ungewöhnlich. Die Niederländer hatten 1581 ein einzigartiges Beispiel für einen solchen Vorgang geliefert. Damals erklärten acht niederländische Provinzen ihren legitimen König, Philipp II. von Spanien, zu einem schlechten Herrscher und hielten sich infolgedessen für berechtigt, ihn abzusetzen (im damaligen Niederländisch: verlaten). Die entsprechende Urkunde (Plakkaat van Verlatinghe) gilt als die Unabhängigkeitserklärung der Niederlande.
Im Herzogtum Mecklenburg ist man 130 Jahre später ebenfalls sehr unzufrieden mit dem Landesherrn: Karl Leopold ist eigensinnig und herrschsüchtig, er gebärdet sich absolutistisch und liegt mit jedermann über Kreuz. Daraufhin wird gegen ihn formell Klage bei Kaiser Karl VI. erhoben, schließlich ist Mecklenburg Teil des Heiligen Römischen Reichs, dessen Oberhaupt der Kaiser ist. Es folgen Jahre fruchtloser Prozesse und Verhandlungen. Alle Einigungsvorschläge, die der Kaiser Karl Leopold unterbreitet, weist dieser zurück. 1728 schließlich setzt der Kaiser den Herzog ab.
Eine miserable Ehe und eine erbärmliche Scheidung
Kaiser Karl VI. muss sich ohnehin ständig mit Karl Leopold beschäftigen. Aus Sicht des Herzogs ist die Ehe mit Sophie von Anfang an gescheitert. Zu seinem großen Verdruss bleibt nicht nur der versprochene Brautschatz aus, sondern auch – was viel schlimmer ist – der Nachwuchs. Auch Sophie ist unglücklich: sie wird von ihrem Gatten schlecht behandelt und kehrt binnen zwei Jahren zu ihrer Familie nach Diez zurück. Schon 1710 lässt sich Karl Leopold von ihr scheiden, weil die Ehe wegen Sophies Unfruchtbarkeit nicht vollzogen werden konnte. Kurz darauf schloss er eine morganatische, also nicht standesgemäße und dadurch vor dem Gesetz ungültige, Ehe mit einer Hofdame. Doch auch diese Verbindung war nicht von Dauer: bereits im Oktober des Folgejahres wird die Scheidung ausgesprochen.
Daheim auf Oranienstein in Diez ist Sophies Mutter Amalie (Kapitel 13) äußerst erbost angesichts dieser Entwicklung, denn als »Schuldige« kann Sophie nicht mehr heiraten, und als Geschiedene erhält sie keine finanzielle Zuwendung. Der Name und die Ehre (und die Finanzen) der Familie stehen auf dem Spiel! Prinzessin Amalie hält die Scheidung für unrechtmäßig und führt einen langen Streit mit ihrem Schwiegersohn. Doch vergeblich. Daraufhin wendet sie sich per Brief an Kaiser Karl und bietet an, Sophie untersuchen zu lassen. Außerdem, so Amalie weiter, begehe Karl Leopold Bigamie, weil er in der Zwischenzeit die Tochter des russischen Zaren geheiratet habe. Fünf Jahre wird verhandelt, der Zar höchstselbst fungiert als Vermittler. 1717 kommt es schließlich zu einem Vergleich. Karl Leopolds neue Ehe wird anerkannt, und Sophie erhält eine einmalige Entschädigung und Alimente.
Ende gut, alles gut? Auch nach dem Tod ihrer Mutter Amalie bleibt Sophie in Rechtsstreitigkeiten mit dem Haus Mecklenburg verwickelt. Den Rest ihres Lebens wohnt sie mit ihren unverheirateten Schwestern in Schloss Oranienstein. Sophie stirbt 1734 mit gerade einmal 44 Jahren. Ihr einstiger Gemahl stirbt 13 Jahre später, verbittert und allein.
Reinildis van Ditzhuyzen, Januar 2017
Literatur
- Ditzhuyzen
- Wilhelm Paul Graff: »Die zweite Ehe des Herzogs Karl Leopold: ein Kulturbild aus Mecklenburg im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts«, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 60 (1895), S. 199–308
- Liselotte von der Pfalz: »Correspondance avec Leibniz«, in: Lettres de la Princesse Palatine 1672–1722, Paris 1985, S. 643–694
- Fritz von Sell: »Einige Nachrichten über die Herzogin Sophie Hedwig von Mecklenburg-Schwerin, geb. Prinzessin zu Nassau-Diez, und ihre Grabstätte«, in: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 49 (1884), S. 280–285
- Siegrid Westphal: »Der kaiserliche Reichshofrat als protestantisches ›Scheidungsgericht‹«, in: ÖZG (Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaften), 20/2009/3, S. 59–82

Louis Volders (um 1700): Sophie, in grünem Seidenkleid mit floralem Haarschmuck und zwei Perlen auf der Brust, mit ihrer Schwester Isabelle (nächstes Kapitel). Öl auf Leinwand, 62 x 47 cm, Königliche Sammlungen, Den Haag

Karl Leopold in vollem Ornat mit Prunkperücke.

Sophie Hedwig, die kaum zwei Jahre mit ihm verheiratet war.