Kapitel 11: Prinzessin Marie von Oranien, Gräfin von Nassau und Ludwig Heinrich, Pfalzgraf und Herzog von Simmern-Lautern

»Nicht gerade hübsch, aber genauso sprühend wie ihre Schwestern«

Marie von Oranien (1642–1688), Mari oder Marike genannt, war das jüngste Kind aus der Ehe Friedrich Heinrichs und Amalies. Ihren Vater hat sie kaum gekannt; er starb, als sie gerade einmal vier Jahre alt war. Somit fiel ihrer Mutter die Aufgabe zu, einen standesgemäßen Bräutigam für sie zu finden. Aber das war leichter gesagt als getan. Die Oranier hatten nach dem plötzlichen Tod von Marikes Bruder Wilhelm II. im Jahr 1650 viel von ihrem Glanz und Einfluss eingebüßt.

Zwar war Wilhelm wie sein Vater, seine Onkel und sein Großvater Statthalter gewesen, doch das Amt war nicht erblich. Zum Entsetzen Amalies beschlossen die Generalstaaten nach Wilhelms Tod, das Haus Oranien vom Statthalteramt auszuschließen. Damit war nicht nur die Zukunft ihres einzigen Enkelsohns und somit des letzten Oraniersprosses, Wilhelms III., unsicher geworden, es wurde auch schwierig, einen geeigneten Gemahl für Marike zu finden. Man trat an verschiedene Kandidaten heran, aber keiner von ihnen biss an.

1666 wurde die Oranierprinzessin, die als sprühend und fröhlich beschrieben wurde, schließlich mit ihrem protestantischen Großneffen Ludwig von Simmern (1640–1674) vermählt. Die Organisation der Hochzeitsfeierlichkeiten übernahm Moritz von Nassau-Siegen (1604–1679). Dieser ihr Lieblingsonkel residierte in Kleve, wo zuvor auch Marikes Schwester Albertine in den Stand der Ehe getreten war. Das Jahr 1666 passte Onkel Moritz gut ins Konzept, denn so konnte er sein neues Schloss, die gerade von dem berühmten holländischen Barockbaumeister Pieter Post vollendete Schwanenburg, hierfür nutzen.

Es folgten Monate voller Geschäftigkeit. Die Braut wurde von dem bekannten Maler Jan Mijtens porträtiert, und zwar sowohl einzeln als auch gemeinsam mit ihren drei Schwestern, die zu diesem Zweck aus Berlin, Leeuwarden und Dessau angereist waren. Onkel Moritz (niederländisch: Maurits), großer Kunstliebhaber und Namensgeber des Museums Mauritshuis in Den Haag, war von dem Porträt der Schwestern derart angetan, dass er es in seinem anderen Schloss namens Sonnenburg aufhängte. Gleichzeitig wurde in Kleve mit dem Bräutigam und seinen Verwandten über die Aufteilung der Pfalzgrafschaft verhandelt. Tatsächlich gelang es dank Moritz´ Vermittlungsbemühungen, in Kleve einen Erbvertrag zu schließen: Marikes Mann erhielt einen ziemlich kleinen, durch den Krieg ausgezehrten Landstrich um Simmern, Strombach und Kreuznach im Norden der Pfalz. Im August 1666, kurz vor der Eheschließung, feierte die vollzählige Oranierfamilie auch noch den Geburtstag von Mutter Amalie. Nach der Hochzeit im September reiste das frisch vermählte Paar in sein neues Land. In den Folgejahren residierte es abwechselnd in Simmern und in Kreuznach.

Bedauerlicherweise blieb die Verbindung kinderlos und war nur von kurzer Dauer: nach sieben Jahren starb Ludwig im Alter von gerade einmal 33 Jahren. Gleichwohl hatte Marike genug zu tun. Genau wie ihre Mutter und ihre Schwestern verherrlichte sie den Namen Oranien. Sie nannte sich Maria d’Orange und ließ vor den Toren Kreuznachs ein leerstehendes Nonnenkloster in eine prachtvolle Sommerresidenz umbauen, die den Namen Oranienhof erhielt. Aus den riesigen Sammlungen ihrer Mutter erbte die Prinzessin großartige Kunstwerke, darunter ein leider verlorengegangenes Gemälde von Pieter Paul Rubens (dessen Wert damals 2500 Gulden betrug) und eine entzückende goldene Waschgarnitur (damaliger Wert: 2000 Gulden).

Marike starb 1688 im Alter von 45 Jahren. Ein Jahr später brach erneut Krieg aus, und die Franzosen fielen ins Land ein. Sowohl Simmern als auch Kreuznach mitsamt dem Oranienhof wurden weitgehend zerstört. Auf wundersame Weise ereilte die Zinnsarkophage von Marie und ihrem Mann Ludwig dieses Schicksal nicht. Sie befinden sich bis heute in der Stephanskirche in Simmern.

Reinildis van Ditzhuyzen, August 2016

Literatur

  • F.W. van den Berg: »Maria van Oranje (1642–1688). Een bijna vergeten telg uit ons vorstenhuis« (Marie von Oranien (1642–1688). Ein fast vergessener Spross aus unserem Fürstenhaus), in: Jaarboek Oranje-Nassau Museum 1993 (Jahrbuch Oranien-Nassau-Museum 1993), S. 6–21
  • Horst Lademacher (Hrsg.): Onder den Oranjeboom. Niederländische Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen, 2 Bände, München 1999
  • G. van der Meer: »Houtsnijwerk van Maria van Oranje, Hertogin van Simmern?« (Holzschnitzarbeiten von Marie von Oranien, Herzogin von Simmern?), in: Jaarboek Oranje-Nassau Museum 1995 (Jahrbuch Oranien-Nassau-Museum 1995), S. 66–74
  • Ingo Pfeifer und Wolfgang Savelsberg (Hrsg.): Oranienbaum, Huis van Oranje. Wiedererweckung eines anhaltischen Fürstenschlosses. Oranische Bildnisse aus fünf Jahrhunderten, Ausstellungskatalog Oranienbaum, Dessau-Wörlitz 2003
  • Meinrad Schaab: Geschichte der Kurpfalz, Band 2: Neuzeit, Stuttgart 1992
  • Wil Tiemes: »Maria van Oranje«, (Digitales Frauenlexikon der Niederlande)
    http://resources.huygens.knaw.nl/vrouwenlexicon/lemmata/data/MariavanOranje
Maria van Oranje
Abbildung: https://www.mauritshuis.nl/nl-nl/verdiep/de-collectie/kunstwerken/portret-van-maria-van-oranje-16421688-met-hendrik-van-zuijlestein-overleden-in-1673-en-een-dienstbod/

Auf diesem großformatigen Porträt ist Marike im Begriff auszureiten. Man beachte die vielen Spitzen, Goldfäden und Schleifen an ihrem Reitgewand. Solche Bildnisse waren dazu bestimmt, Heiratsinteressenten einen Eindruck von ihrer Künftigen zu vermitteln. Schließlich waren Fotografie und Fernsehen noch nicht erfunden. (Jan Mijtens, um 1665, 150 x 185 cm, Mauritshuis, Den Haag)

Die vier Oranierschwestern, v.l.n.r. Luise, Marie, Henriette und Albertine

Die vier Oranierschwestern, v.l.n.r. Luise, Marie, Henriette und Albertine, im Hintergrund Kleve und Moritz’ Schwanenburg (Jan Mijtens, 1666, 222 x 219 cm, Schloss Mosigkau, Anhaltische Gemäldegalerie)